Studium

„Er war ein stiller Mensch, er überlegte rational und schon damals wirkte er wie ein Philosoph, und wie ich später erfahren habe, wollte er auch ursprünglich Philosophie studieren. Jan war von ernsterem Charakter. Er studierte so, dass er die Sachen in der Tiefe kennen lernte, und nicht, weil er bei den Prüfungen glänzen wollte. Sehr gern half er den Anderen beim Lernen und bei Problemen, die mit dem Studium zusammenhingen. Überwiegend diskutierte er über das Studium oder über politische Angelegenheiten.“

Aussage von Pavel Bursa, einem Kommilitonen an der Wirtschaftshochschule, 28. Januar 1969

Nach dem Abitur wollte Jan Palach Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität studieren. Obwohl er die Aufnahmeprüfung gut bestanden hatte, wurde er aufgrund der großen Bewerberanzahl nicht angenommen. Er schrieb sich also ins Fach Landwirtschaftsökonomie an der Wirtschaftshochschule (VŠE) ein. Obgleich es nicht sein Traumfach war, legte er in zwei Jahren 16 Prüfungen ab und gliederte sich in das dortige Studentenleben ein. Im Sommer 1967 nahm er an einer Arbeitsreise nach Kasachstan teil und ein Jahr später war er für eine Reise nach Leningrad verantwortlich. Im Frühling 1968 half er an der Wirtschaftshochschule den Akademischen Studentenrat zu gründen.

An der VŠE erlebte Jan Palach auch die Zeit des Prager Frühlings, der für ihn eine wichtige Lebenswende brachte. Er interessierte sich schon vorher für Politik (er verteilte zum Beispiel verschiedene schreibmaschinengeschriebene Texte an seine Freunde, unter anderem ein Brief von Alexander Solschenizyn, Texte von Ludvík Vaculík oder Abschriften der Reden aus Schriftstellertreffen), im Jahre 1968 steigerte sich aber sein Interesse an öffentlichen Fragen noch mehr. Im Frühling 1968 nahm er an vielen Diskussionen und Treffen teil.

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Den größten Teil des Sommers 1968 verbrachte Jan Palach auf einer Reise in die Sowjetunion, zurück kam er erst am 17. August 1968. Zu Hause wartete auf ihn eine fröhliche Nachricht - sein Antrag auf Übertritt an die Philosophische Fakultät wurde angenommen. In Všetaty erlebte er auch den nationalen Schock, als die Tschechoslowakei von den fünf Staaten des Warschauer Paktes besetzt wurde. Am 21. August 1968 entschied er sich, nach Prag zu gehen und dort verbrachte er auch die folgenden Tage. Nach der Rückkehr nach Všetaty schrieb er mit seinen Freunden auf den Straßen Aufschriften gegen die Besatzung.

Anfangs Oktober 1968 gelang es Jan Palach zum ersten Mal, in den Westen zu reisen. Für seine Hilfe bei der Organisation der Arbeitsreise in die Sowjetunion erhielt er eine Reise nach Frankreich, wo er bei der Weinlese half. In die Tschechoslowakei kehrte er am 19. Oktober 1968 zurück, also genau einen Tag nachdem die Nationalversammlung den Vertrag über die kurzzeitige Besatzung verabschiedete.

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