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Das Wahlplakat der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei appellierte an das Nationalgefühl der Wähler. (Mai 1946, Quelle: Nationalarchiv)
Der Situationsbericht aus der Zentrale der Staatssicherheit über die Ereignisse in der Zeit der Februarkrise (25. Februar 1948, Quelle: ABS)
Die Landkarte des Wenzelsplatzes mit eingezeichneten Streifen der Nationalpolizei am 25. Februar 1948 (Februar 1948, Quelle: ABS)
Klement Gottwald bei der Feier des zweiten Jahrestages des Februarumsturzes (Quelle: Nationalarchiv)
Die Landkarte der Gefängnisse in der kommunistischen Tschechoslowakei (1953, Quelle: Kabinett für Dokumentation und Geschichte des Gefängnisdienstes)
Maifestzug in Prag auf der Švermov-Brücke (heute Štefánik-Brücke) am 20. Mai 1956 (Quelle: Nationalarchiv)

Das Machtmonopol

„Und so kam es nach der Befreiung der Tschechoslowakei durch die berühmte sowjetische Armee dazu, dass wir unser Geldwesen und schwere und große Industrie nationalisiert haben; dass wir die Deutschen vertrieben haben und ihr Eigentum, Banken und Fabriken nicht in die Hände der tschechischen und slowakischen Herren, sondern in die Hände der Landwirte und Gewerbetreibenden gegeben haben, also in die Hände des Volkes; dass wir das Polizei- und Bürokratiesystem entfernt haben und durch Einrichtung der Nationalausschüsse die öffentliche Verwaltung nationalisiert haben; dass wir die Erneuerung der vormünchner politischen Parteien nicht erlaubt haben, direkte politische Instrumente der tschechischen und slowakischen Großbourgeoisie gebildet haben; dass wir die Regierung der Nationalfront geschafft haben, die das exekutive Organ des Arbeiter-, Landwirte-, Gewerbetreibenden- und Intelligenzbundes gewesen sein sollte. Dadurch wurde die vorher regierende Schicht von der entscheidender politischen Macht wirklich abgeschoben und an ihrer empfindlichsten Stelle, dem Besitz, betroffen. Und in der neuen demokratischen Volksrepublik galt seitdem die Tatsache, dass die Quelle aller Macht das Volk ist.“

Der Vortrag der Regierungschefs Klement Gottwald in der verfassunggebenden Nationalversammlung, 10. März 1948

Auch wenn nach dem zweiten Weltkrieg formell die Verfassung der Ersten Republik galt, einigten sich alle erlaubten politischen Parteien in der Tschechoslowakei über eine grundsätzliche Änderung des politischen Systems. Auch die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung änderte sich wesentlich. Die absolute Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung wurde vertrieben. Zu den wichtigsten Punkten der politischen Programme gehörte die Nationalisierung, auch wenn sich die einzelnen Parteien in deren Umfang unterschieden. Die Anzahl der erlaubten politischen Parteien in dem tschechischen und slowakischen Teil der Republik wurde grundsätzlich begrenzt, es wurden vor allem rechtsorientierte politische Subjekte der 20er und 30er Jahre ausgeschlossen.

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Die Nationalfront der Tschechen und Slowaken wurde, ähnlich wie in anderen sowjetisierten Ländern, zu der politischen Hauptorganisation und sammelte nicht nur die erlaubten politischen Parteien, sondern später auch Gewerkschafts-, Jugend- und Interesseorganisationen.

Die Machtübernahme wurde mit Säuberungsaktionen in der Staatsverwaltung, in der Armee und auch an den Hochschulen verbunden. Zehntausende Personen gingen nach Februar 1948 ins Exil. Tausende andere wurden zum vieljährigen Gefängnis und zur Zwangsarbeit verurteilt. Zwischen 1948–1960 wurden 242 Personen in politischen Prozessen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Säuberungen betrafen wesentlich auch die kommunistische Partei selbst. Unter den Hingerichteten war auch der damalige kommunistische Generalsekretär Rudolf Slánský. Im Rahmen des Kampfes gegen die Religion wurden 1950 die Orden gelöscht. Hunderte Zeitschriften und Zeitungen wurden verboten. In öffentlichen Bibliotheken wurden die Bücher von unerwünschten Autoren aussortiert. Die Zwangskollektivierung veränderte die soziale Struktur des Dorfes. Privatunternehmen in der Tschechoslowakei verschwand Schritt für Schritt.

Die führende Rolle gegenüber der anderen Parteien und Organisationen der Nationalfront übernahmen in Laufe der Zeit die Kommunisten. Im Jahre 1946 bestätigten sie ihre führende Stellung in den Parlamentswahlen, auch wenn sie keine über die Hälfte zählende Mehrheit erhielten und in der Slowakei sogar verloren. Nach der Regierungskrise anfangs 1948 erreichten sie durch den Umsturz das Machtmonopol im ganzen Staat. In den Parlamentswahlen am 30. Mai 1948 in dem sowohl tschechischen als auch slowakischen Teil der Republik erhielten die Kandidaten der „wiedergeborenen“ Nationalfront laut der offiziellen Ergebnissen eine über die Hälfte zählende Mehrheit der Stimme. In der Wirklichkeit wurden diese Wahlen schon völlig manipuliert. Schrittweise wurde die Rolle des Parlaments minimalisiert, die Sitzungen fanden zweimal jährlich statt und dauerten ein bis zwei Tage. Das Machtzentrum verschob sich in den Sitz der Kommunistischen Partei.

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Eine relative Entspannung der Verhältnisse kam nach und nach erst in der Mitte der 50er Jahre. Die Änderung deutete der Tod von Josif Vissarionovič Stalin und Klement Gottwald im Frühling 1953 an. In diesem Jahr tauchten auch die größten Proteste gegen das Regime auf, die nach der Währungsreform entstanden. Ein grundsätzlicher Durchbruch war der XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der UdSSR im Jahre 1956, während der der neue höchste Vertreter der UdSSR Nikita Sergejevič Chruščov Stalins Diktatur verurteilte. In der Tschechoslowakei galt als einer der Beweise das studentische Maifest, das am 20. Mai 1956 in Prag stattfand und in den nächsten Tagen auch in anderen tschechoslowakischen Städten verlief. Die ausländischen Beobachter betrachteten das Maifest als die erste Gelegenheit der bisher schweigenden Öffentlichkeit, sich zu der politischen Situation zu äußern. An dem feierlichen Zug nahmen damals in der Hauptstadt etwa Hunderttausend Menschen teil. Die einzelnen Losungen kritisierten die Politiker, Organisationen und Zensur. Nach der Zertrümmerung der ungarischen Revolution endete die Zeit einer relativen Entspannung auch in der Tschechoslowakei.

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