Protest

„In dem Moment, wenn ich ihn brennen gesehen habe, waren die Flammen schon so mächtig, das ich kaum noch sein Gesichtsausdruck beobachten konnte (...) Bevor ich aber etwas unternehmen konnte, lief der brennende junge Mann von der Mauer unter dem Museum bis zum Geländer in der Nähe meines Fahrzeugs, sprang über das Geländer des Gehsteigs und lief an meinem Auto und dem Auto MB 1000 zu meiner linken Hand in die Straße und verschwand aus meiner Sicht hinter der elektrischen Straßenbahn, die zu dieser Zeit Richtung Museum fuhr.“

Josef Křížs Aussage, Zeuge des Protests von Palach, 17. Januar 1969

Den schockierenden Protest von Jan Palach sahen eine Reihe von Augenzeugen, deren Aussagen in der Ermittlungsakte der VB (Öffentliche Sicherheit, entspricht der Deutschen Volkspolizei, bzw. Volkspolizei in der DDR) erhalten sind und die eine sehr genaue Rekonstruktion der Tat ermöglichen. Die Umgebung des Ortes sah im Januar 1969 anders aus als heutzutage. Das Hauptgebäude des Nationalmuseums war ein integraler Teil des Wenzelsplatzes, der nicht durch die Hauptstraße getrennt wurde. Am Wenzelsplatz gab es einige Straßenbahnlinien, eine der Haltestellen war direkt neben der Statue des heiligen Wenzels.

Jan Palach zog beim Geländer des Brunnens seinen Mantel aus. Aus seiner Aktentasche nahm er ein Fläschchen mit der Aufschrift „Äther“. Er öffnete es mit einem Messer und brachte es näher zum Gesicht. Dann goss er bei dem Brunnen Benzin auf sich und zündete sich an. Er sprang über das Geländer und lief zwischen den geparkten Autos in Richtung Denkmal des heiligen Wenzel.

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Dann wurde er fast von der durchfahrenden Straßenbahn überfahren. Deshalb bog er vermutlich in die Richtung des Kaufhauses „Dům potravin“ ab, in dessen Nähe er auf die Straße fiel und von zufälligen Zeugen mit Hilfe ihrer Mänteln gelöscht wurde. Palach forderte sie auf, seine Aktentasche zu öffnen, die er beim Brunnen ließ und seinen Brief zu lesen. Nach einigen Minuten hielt am Ort ein Krankenwagen des Gesundheitsministeriums an, der zufällig vorbei fuhr. Der verbrannte junge Mann, der sein Bewusstsein noch nicht verloren hatte, wurde erst in das Krankenhaus am Karlsplatz gefahren. Dort wurde er aber vom Dienst nicht angenommen und der Krankenwagen wurde in die Legerova-Straße geschickt, wo sich die Klinik für plastische Chirurgie und damit auch die Verbrennungsabteilung des Universitätskrankenhauses in Vinohrady damals befand. Palach wurde hier um 14.45 eingeliefert. Als er von den Krankenschwestern in ein Zimmer gefahren wurde, betonte er, er sei kein Selbstmörder, er habe sich zum Protest angezündet - ähnlich wie die Buddhisten in Vietnam.

Eine große Menschenmenge versammelte sich am Ort von Palachs Tat. Bald kamen die Feuerwehr und Ermittler der VB, die erste Zeugen verhörten und Fotos machten. Beim Brunnen fanden sie sieben Scherben vom Ätherfläschchen und ein angebranntes Plastikgefäß. Sie fanden auch zwei DIN A4 Papiere, worauf anscheinend ein Zeuge von Palachs Protest mit Tusche schrieb: „Hier hat sich ein 20-jähriger Student verbrannt.“ Die Angehörigen der VB beschlagnahmten auch Palachs private Sachen, darunter auch den Brief, in dem er sein Handeln erklärte. Anhand dieses Briefes entschieden die Ermittler über einer Strafverfolgung wegen der Straftat Teilnahme am Selbstmord. Schon zwei Stunden nach Palachs Tat veröffentlichte die Tschechoslowakische Presseagentur einen kurzen Bericht über der Selbstverbrennung eines Studenten der Philosophischen Fakultät. Im Bericht wurden nur die Initialen von Palach angegeben.

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