Aktion „Palach“

„Im Laufe der Arbeit wurde eine ganze Reihe interessanter Erkenntnisse und Tatsachen bekannt, die eine Tätigkeit vor allem rechtsorientierter Personen aufdeckten, die die Attraktivität der Tat zum eigenen Vorteil und Verherrlichung ausnutzten. Die Tat wurde auch für kommerzielle Interessen ausgenutzt. Aus den festgestellten Erkenntnissen wurden entsprechende Schlüsse gezogen und Maßnahmen getroffen.“

Aus dem Vorschlag von Hptm. Josef Bín, die StB-Ermittlungsakte „Palach“ anzulegen, 6. Juli 1973

Die Ermittler der VB (Öffentliche Sicherheit, entspricht der Deutschen Volkspolizei, bzw. Volkspolizei in der DDR) forschten einige Monate ausführlich über die Todesumstände von Jan Palach. Sie interessierten sich vor allem für eine mögliche Teilnahme weiterer Personen an seiner Selbstverbrennung. Sie verhörten zahlreiche Zeugen, beantragten mehrere Sachverständigengutachten und verfassten viele Berichte für die Leitung des Innenministeriums. Mitarbeiter der Ermittlungsverwaltungabteilung der VB Hptm. Jiří Ryant und Maj. Miroslav Novák stellten die Strafverfolgung gegen Unbekannt mit der Begründung ein, dass es nicht gelungen sei, konkrete Beweise für die Existenz einer in Palachs letzten Briefen erwähnten Gruppe zu erlangen. Ihrer Ansicht nach handele sich nur um eine Zweckbehauptung, die die Auswirkungen der entsetzlichen Tat mildern solle.

Für die Ermittlungen interessierte sich von Anfang an auch die Leitung der StB (Staatssicherheit), die jedoch Verfahren und Abschluss vermutlich nicht beeinflusste. Ein erneutes Interesse von Seiten dieser Geheimpolizei entstand erst zum ersten Jahrestag der Tat Palachs. Im Februar 1970 beantragte der Leiter der 3. Abteilung des 7. Referats der Kreisverwaltung der SNB (Nationale Sicherheit, entspricht der Deutschen Volkspolizei, bzw. Volkspolizei in der DDR) Prag, Maj. Jiří Dvořák, dass der Selbstmord des Studenten Jan Palach mit Hilfe von Informanten bearbeitet (sog. agentur-operative Bearbeitung) und dokumentiert werden solle. Einige Wochen später wurde die Ermittlungsakte unter dem Begriff „Palach“ angelegt, in die die entsprechenden Dokumente eingeordnet wurden.

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Die StB konzentrierte sich nicht nur auf die Nachkontrolle der vorangegangenen Ermittlungen, sondern bemühte sich auch darum, Materialien für eine zweckgebundene politische Konterpropaganda zu erlangen. Sie trat mit einigen Zeugen in Kontakt, deren Aussagen aufgenommen wurden. Sie befasste sich auch mit den Umständen der Herausgabe und Verbreitung der Schallplatte „Kde končí svět“ (Wo die Welt aufhört), auf der neben einigen älteren Gedichten auch Festreden von Palachs Beerdigung veröffentlicht worden waren. Die Geheimpolizei bemühte sich ebenfalls alljährlich, das öffentliche Gedenken der Tat Palachs zu verhindern. Seine Verwandten wurden im Oktober 1973 gezwungen, der Exhumierung seiner Überreste und der Vernichtung seines Grabs auf dem Olšany-Friedhof zuzustimmen.

Obwohl die StB geradezu besessen war von einer möglichen Existenz der Gruppe „Lebende Fackeln“, erlangte sie keine glaubhaften Zeugenaussagen. Zum Jahrestag von Palachs Tat waren die Sicherheitskräfte regelmäßig in erhöhter Alarmbereitschaft. Große Aufmerksamkeit widmeten sie auch der Situation in Všetaty. Die Furcht vor möglichen Straßendemonstrationen bewahrheitete sich jedoch erst zwanzig Jahre später bei der so genannten „Palach Woche“.

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