Die Reaktion der Macht
„Wir wollen hoffen, dass das Zentralorgan der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und weitere verantwortliche Organe der Republik - alle politisch nützlichen Folgerungen treffen, und die Partei dahingehend orientieren, dass die Mitarbeiter prinzipiell parteilich die Tätigkeit der antikommunistischen und antisowjetischen Kräfte im Zusammenhang mit dem Entfesseln der provokativen Kampagne um die Angelegenheit auf dem Wenzelsplatz auswerten.“
Aus dem Brief von Leonid Iljič Brežněv und Alexander Nikolajevič Kossygin, am 22. Januar 1969
Die Staats- und Parteiführung bemühte sich Mitte Januar 1969 vor allem um die Beruhigung der gespannten Situation und darum, die schockierte Gesellschaft unter Kontrolle zu halten. Politiker drückten meistens Mitleid über Jan Palachs Tat aus, aber gleichzeitig lehnten sie die Form seines Protests ab. Bei einigen Besprechungen wurden die Forderungen der Vertreter der Hochschulstudenten als unerfüllbar bezeichnet.
Am 19. Januar 1969 wurde die - seit der August-Okkupation - höchste Bereitschaft der Sicherheitsorgane erlassen. Am 20. Januar 1969 gab das Presse- und Informationsamt eine Anweisung an die Redaktionen, nur offizielle Mitteilungen zu veröffentlichen. Insgesamt 16 Auslandsjournalisten wurden ausgewiesen. Am selben Tag fand die Sitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei unter der Führung Gustav Husáks statt. Der vom Vorstand bei der Sitzung angenommene Beschluss war schon rückhaltlos drohend. Andererseits stimmte die tschechoslowakische Regierung, nach der Vereinbarung mit den Hochschulstudenten, zuerst der Veranstaltung des Trauerzugs durch Prag, danach auch der öffentlichen Verabschiedung von Jan Palach zu.
Palachs Tat wurde nur von Dogmatikern aus dem Kreis der Libeň-Organisation der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei verurteilt, die von einem angeblichen Missbrauch von Palachs Tat sprachen. Diese unwahre These wurde vor allem von dem Abgeordneten Vilém Nový verbreitet, der am 29. Februar 1969 der Presseagentur AFP ein Interview gab, in dem er die Theorie über „das kalte Feuer“ erstmals öffentlich äußerte. Palach wurde angeblich davon überzeugt, dass er sich mit einem Stoff übergießen würde, der zwar brennt, aber dabei nicht verbrennt. Diese demonstrative Aktion gelang aber nicht und Palach verbrannte sich. Nový zufolge waren es die „rechtsorientierten“ Schriftsteller und Publizisten, die die Verantwortung trugen.
Der Brief des ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Leonid Iljič Brežněv und des Vorsitzenden des Ministerrates der Sowjetunion Alexej Nikolajevič Kossygin, den sie am 23. Januar 1969 an Alexander Dubček und Oldřich Černík adressierten, beweist eindeutig, woher diese These über „einen missbrauchten Studenten“ kam. Sowjetische Vertreter äußerten im Brief ihre große Beunruhigung über die Situation in der Tschechoslowakei und bezeichneten Jan Palach als Opfer der Provokateure.