text
Das studentische Maifest (Majáles) in Prag, Mai 1966 (Foto: Miloš Šindelář)
Das Studentenleben in der zweiten Hälfte der 60er Jahre sammelte sich vor allem um die Studentenzeitschrifte. Die Titelblätter der Zeitschriften „Buchar“ und „Ekonom“. (Quelle: Libri Prohibiti)
Lubomír Holeček (links) und Jiří Müller mussten nach der unfreiwilligen Studienunterbrechung zum Militär einrücken. Anfangs des Jahres 1968 wurden sie aus Grundwehrdienst entlassen. (Quelle: Archiv von Jiří Müller)
Maifest 1968 (Foto: Miloš Šindelář)
Studentische Manifestation auf dem Altstädter Ring in Prag, 3. Mai 1968 (Quelle: Nationalarchiv)
Reaktion der Zeitschrift „Student“ auf das sog. Moskauer Protokoll vom 26. August 1968 (Quelle: Libri Prohibiti)
Prospekt mit den Punkten der sog. studentischen Geboten, die am 11. November 1968 der Verband der Hochschulstudenten in Böhmen und Mähren verabschiedete (Quelle: ABS)
Die Juristische Fakultät der Karlsuniversität im Streik, November 1968 (Quelle: Nationalarchiv)
Das Gebäude der Kunstgewerblichen Hochschule in Prag während des Novemberstreikes im Jahre 1968 (Quelle: Nationalarchiv)
Der Studentenstreik wurde auch von einigen Mittelschulen unterstützt. (Quelle: Nationalarchiv)
Der Okkupationsstreik sollte am 20. November 1969 beendet werden. Wegen der falschen Interpretation der Politiker verlängerten die Studenten den Streik um 24 Studen. (Quelle: Nationalarchiv)
Text über die Studentenbewegung von Jiří Müller, der  am 19. April 1969 in der Zeitschrift „Elixír“ veröffentlicht wurde. (Quelle: ABS)

Die Studentenbewegung

„Wir erklären öffentlich, dass das Kredo unserer Taten ausdrücklich die humane Idee des Sozialismus in der Tschechoslowakischen Sozialistichen Republik ist. Den legalen und illegalen Druck, der auf die Tschechoslowakische Sozialistiche Republik gesetzt wird, betrachten wir als vorübergehend. Wir versöhnen uns nie mit der Tolerierung der Großmachtpolitik, die zur Trennung der Völker führt. Die Menschheit muss durch die Idee des gemeinsamen Respekts verbunden werden und nicht durch eine Angstpsychose. Falls wir überzeugt werden, dass die Taten unserer Regierung und der Führung der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei nicht zu deutlich angegebenen Zielen hinsteuern, treten wir wieder auf.“

Aus der Erklärung des Aktionskomitees der Prager Hochschulstudenten und des Bundes der Hochschulstudenten (SVS) über die Entscheidung zu einem Oppositionsstreik für die Unterstützung den zehn Forderungen des SVS zu treten, November 1968

Seit der ersten Hälfte der 60er Jahre des 20. Jhs. entspannte sich Schritt für Schritt das nach Februar 1948 rasant unterdrückte Studentenleben. Die aktiven Studenten sammelten sich um die Fakultätszeitschrifte und Komitees des tschechoslowakischen Jugendverbandes (ČSM). An manchen Universitäten entstanden ganz neue und unabhängige Komitees (z.B. an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag entstand ein Verband mit dem rezessiven Namen Klikoživ – Klinke der Oppositionselemente.) Zeichen für eine lockere Atmosphäre Mitte der 60er Jahre waren auch studentische Maifeste (Majáles), die sich auf den Straßen Tausende von Menschen anchauten.

>>>

Schon im Jahre 1966 schlug die Regimeführung wieder einen schärferen Kurs ein. Zu seinem Symbol wurde die Ausweisung des Studenten Jiří Müller aus dem Studium an der Tschechischen technischen Hochschule und seine Berufung zum Grundwehrdienst. Ein halbes Jahr später traf das gleiche auch Luboš Holeček. Der grundsätzliche Umbruch waren die Ereignisse im Stadtteil Strahov.

Nach einem regelmäßigen Stromausfall im lokalen Studentenwohnheim brachten die Studenten am 31. Oktober 1967 in die Straßen auf. Dort wurden sie von der Polizei (Öffentliche Sicherheit genannt) brutal aufgelöst. Der unangemessene Eingriff erweckte Kontroverse sogar in der Führung der Kommunistischen Partei und wurde zu einem der Anlässe für Diskussionen über die Abberufung des Präsidenten Antonín Novotný. Für die Studenten selbst bedeutete es die definitive Trennung mit dem tschechoslowakischen Jugendverband, der das Regime unterstützte. Im Frühling 1948 entstanden auf den Fakultäten Akademische Studentenräte (ARS) und andere unabhängige Organisationen. Als eine übergeordnete Organisation wurde in dieser Zeit in der Tschechoslowakei der Bund der Hochschulstudenten aus Böhmen und Mähren (SVS) gegründet.

Die Studenten beeinflussten auch deutlich das Geschehen im ganzen Land. Im März und April veranstalteten sie öffentliche Zusammenkünfte der Jugend und konfrontierten dort die Vertreter des Reformprozesses mit scharfer Kritik der Kommunistischen Partei und auch mit der Forderung, dass Oppositionsparteien entstehen sollen. Diese Zusammenkünfte wurden durch den Rundfunk übertragen, sodass die radikalen Studentenmeinungen auch die breite Öffentlichkeit hören konnte. Große Reaktionen gewann auch die studentische Unterstützung von Čestmír Císař und seiner beabsichtigten Präsidentenkandidatur oder die Erneuerung der diplomatischen Beziehungen mit Israel.

>>>

Nach der Okkupation im August und dann vor allem im Herbst 1968 gehörten die Studenten zu den aktivsten Gruppen, die gegen die kommende Normalisierung protestierten. Vom 18. bis zum 21. November 1968 organisierten sie auf den Fakultäten in der ganzen Tschechoslowakei einen Okkupationsstreik um „die zehn studentischen Gebote“ zu unterstützen, in denen sie eine Reihe von Ansprüchen an die kommunistische Führung erhoben. Kein Anspruch wurde jedoch durchgesetzt und nicht nur unter den Studenten verbreiteten sich am Ende des Jahres 1968 Gefühle der Hoffnungslosigkeit.

>>>